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Ortenau Klinikum: Strukturgutachten zur „Agenda 2030“ vorgestellt

Landrat Frank Scherer: „Kreistag wird seiner großen Verantwortung für Zukunftsplanung gerecht werden“

In der öffentlichen Sitzung des Krankenhausausschusses des Ortenaukreis wurden heute die Ergebnisse eines unabhängigen Strukturgutachtens zur „Agenda 2030“ des Ortenau Klinikums vorgestellt. Das Beratungsunternehmen Lohfert & Lohfert aus Hamburg hat untersucht, wie das Ortenau Klinikum zukunftssicher gemacht werden kann. Insbesondere unter Berücksichtigung medizinischer inklusive personeller als auch wirtschaftlicher Faktoren wurden insgesamt vier Varianten geprüft: der Erhalt des Status Quo auf der Basis des „Modell Landrat“ („Variante 0“, acht stationäre Betriebsstellen), die Bündelung auf drei Betriebsstellen („Variante 1“, Offenburg, Lahr, Wolfach) sowie vier Betriebsstellen („Variante 2“, Offenburg, Lahr, Wolfach, Achern), einmal mit einem Anbau in Achern („Variante 2a“ ), einmal mit einem kompletten Neubau in Achern („Variante 2b“).„Es ist gut, dass mit dem Gutachten nun eine fachlich fundierte Grundlage für die Meinungsbildung vorliegt“, erklärte Landrat Frank Scherer. „Die Kommunalpolitik kann jetzt ihre ureigene Stärke zeigen, in einer sachorientierten Diskussion zu Entscheidungen zu kommen, die eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung der Ortenauer Bevölkerung für die Zukunft sichert. Hierzu werde ich als Landrat selbstverständlich einen Vorschlag unterbreiten, sobald ich das Gutachten studiert und ausgewertet habe“, so der Landrat.

Scherer betonte, dass man sich einerseits bei der Meinungsbildung nicht hinter dem 116-Seiten starke Gutachten verstecken dürfe. Andererseits könne es aber auch nicht sein, dass die vom Kreistag gewünschte und intensiv begleitete Arbeit von ausgewiesenen und unabhängigen Fachleuten bei der politischen Positionsbestimmung ignoriert werde. „Wir können unserer großen Verantwortung nur gerecht werden, wenn wir bei den anstehenden Entscheidungen alle fachlichen Erkenntnisse nutzen und auf dieser Basis politisch abwägen und entscheiden“, bekräftigte Scherer.

In ihrem Gutachten sprechen sich die Berater zur „langfristigen Sicherstellung der stationären medizinischen Versorgung auf höchstem Niveau im Ortenaukreis“ deutlich für eine Neuausrichtung des Ortenau Klinikums aus. Sowohl die Variante mit drei als auch mit vier Betriebsstellen sei dafür geeignet. Beide Varianten ermöglichten eine betriebsstellenübergreifende Schärfung des Leistungsprofils, den Abbau von Doppelstrukturen und baulichen Überkapazitäten. „Die stationäre Versorgungsqualität profitiert in beiden Varianten“, so die Gutachter. In der Fortschreibung des Status Quo sehen sie dagegen „langfristig erhebliche Risiken“, etwa bei der Erfüllung steigender Qualitätsanforderungen und der Gewinnung qualifizierten Fachpersonals.
Für ihre Analyse haben die Gutachter ein langfristiges medizinisches Konzept zu Grunde gelegt und für alle zu untersuchenden Varianten die bauliche Situation, die Erlöse sowie die Betriebs- und Investitionskosten analysiert. Auf dieser Basis wurde ein Businessplan mit Wirtschaftlichkeitsanalyse aufgestellt. Bei der Bewertung der einzelnen Alternativen wurden insbesondere die Behandlungsqualität, die Erreichbarkeit der Betriebsstellen und die Notfallversorgung der Bevölkerung berücksichtigt.
Vor allem mit Blick auf das medizinische Leistungsspektrum sehen die Berater die Varianten 1 und 2 gegenüber dem Status Quo deutlich im Vorteil. Eine Bündelung der Betriebsstellen ermögliche es, das Ortenau Klinikum insgesamt im Bereich der Angebote der Maximalversorgung auszubauen, den Grad der Spezialisierung zu erhöhen und eine Ausweitung an Schwerpunkten vorzunehmen. Auch für die Gewinnung und Bindung qualifizierten Personals sehen die Gutachter in diesen beiden Varianten eindeutige Vorteile und sprechen ihnen auch beim Personaleinsatz das größte Optimierungspotenzial zu. Gleiches gilt für die  Flächenbewirtschaftung und für die Krankentransporte.

In Bezug auf die Entwicklung der Patientenzahlen sieht das Gutachten die Variante 2  vorn, da der Standort Achern Strahlkraft über das nördliche Kreisgebiet hinaus entwickeln kann.
Eine deutliche Überkapazität sehen die Gutachter bei der aktuellen Gesamtbettenzahl des Ortenau Klinikums von rund 1.700 Planbetten. Für die Versorgung der Patienten veranschlagen die Gutachter in zehn Jahren den Klinikverbund je nach Variante nur noch mit insgesamt rund 1.500 bis 1.600 Betten. In der Variante 1 würde Lahr über 433 Betten, Offenburg über 1076 Betten und Wolfach über 77 Betten verfügen. In der Variante 2 erhielte Achern mindestens 236 Betten, Lahr ebenfalls 433 Betten, Offenburg 872 Betten und Wolfach ebenfalls 77 Betten.

Bei der Erreichbarkeit der stationären medizinischen Leistungen für die Bevölkerung unterscheiden sich die einzelnen Szenarien nur in geringem Maße. Bei der Variante 0 erreichen laut Berechnungen der Berater 97,8 Prozent der Bevölkerung eine stationäre Versorgung innerhalb von 30 Minuten. Bei der Variante 2 wären es 96,3 Prozent und bei der Variante 1 95,6 Prozent.
Auch bei den veranschlagten Instandhaltungs- und Investitionskosten liegen die Varianten laut Gutachten relativ eng beieinander. Die Variante 1 wäre mit rund 390 Millionen Euro am günstigsten. Die Varianten 2a (394 Mio.) und 2b (407 Mio.) lägen geringfügig darüber. Mit rund 421 Millionen Euro weist die Variante 0 die höchsten Instandhaltungs- und Investitionskosten aus.
Deutlichen Unterschied weist das Gutachten bei den zu erwartenden Betriebsergebnissen ab dem Jahr 2030 für die einzelnen Varianten aus. Während im wahrscheinlichen Szenario (sog. „Basecase“) für die Variante 0 ein Ergebnis von minus 25,2 Millionen Euro pro Jahr erwartet wird, gehen die Gutachter bei den Varianten 1 und 2 von einem positiven Ergebnis von rund 9,6 bis 12,7 Millionen Euro pro Jahr aus.
Die Gutachter halten damit bei einer Neuausrichtung des Ortenau Klinikums eine Ergebnisverbesserung im Jahr 2030 von über 35 Millionen Euro pro Jahr für möglich.

Stellungnahmen sowie eine Beratung des Gutachtens durch die Fraktionen waren in der heutigen Sitzung nicht vorgesehen. Die Fraktionen haben jetzt Gelegenheit, sich ausführlich mit dem Gutachten zu befassen. In zwei weiteren öffentlichen Sitzungen am 15. Mai und 12. Juni soll ein Empfehlungsbeschluss für den Kreistag gefasst werden, der die Zukunftsplanung Agenda 2030 am 24. Juli abschließend beraten und beschließen soll.

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